Die Erdölindustrie gehört zu den Begünstigten des EU-Abkommens mit Kanada
Von: Thomas Fritz
Oktober 2019
Seit September 2017 werden Teile des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada vorläufig angewendet. Nach zwei Jahren zeichnen sich erste Ergebnisse ab - und diese sind besorgniserregend, vor allem für den Klimaschutz. Während der EU-Handelsüberschuss gegenüber Kanada weiter steigt, gibt es auf kanadischer Seite nur eine Branche, die profitieren konnte: die Rohstoffindustrie.
Im Februar 2017 gab die Mehrheit im Europaparlament grünes Licht für das EU-Handelsabkommen mit Kanada CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement). Seit September 2017 wird ein großer Teil des Abkommens vorläufig angewendet.
Ausgeklammert blieb aber noch das besonders umstrittene Investor-Staat-Verfahren, das ausländischen Investoren ein Sonderklagerecht gegen staatliche Regulierung in der EU und Kanada verschaffen soll.
Endgültig kann das gesamte Abkommen einschließlich der Sonderklagerechte erst in Kraft treten, wenn es auch in den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wird, was bisher erst in dreizehn Ländern geschah. Auch in Deutschland steht die Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat noch aus.
Wachsendes Handelsdefizit Kanadas
Das kanadische Forschungsinstitut IRIS (Institut de recherche et d'informations socio-économiques) veröffentlichte im Oktober 2019 eine der ersten Folgenabschätzungen von CETA seit seiner vorläufigen Anwendung. Demnach vergrößerte sich der Handelsüberschuss der EU gegenüber Kanada, während auf kanadischer Seite einzig die Rohstoffindustrie profitierte, darunter besonders die Erdölerzeuger.
Dieser ernüchternde Befund deckt sich mit den Handelsdaten der Europäischen Kommission. So wuchs der EU-Überschuss im Güterhandel mit Kanada zwischen 2017 und 2018 kräftig an: von 6 Milliarden Euro auf über 10 Milliarden Euro (siehe Grafik).
Das Hauptproblem ist dabei - wie so oft - Deutschland, auf das über die Hälfte des EU-Überschusses entfällt. In den vergangenen sieben Jahren exportierten die Deutschen mehr als doppelt so viel nach Kanada wie die KanadierInnen nach Deutschland (siehe Grafik). Weit über die Hälfte der deutschen Kanada-Exporte entfiel dabei auf Autos.
Freier Handel für Schweröl
In der Gegenrichtung nahmen vor allem die Importe fossiler Treibstoffe aus Kanada kräftig zu. Allein der Absatz von kanadischem Rohöl in der EU verdoppelte sich zwischen 2017 und 2018. Zur Freude der kanadischen Industrie erhöhte sich dabei auch die EU-Einfuhr des besonders klimaschädlichen Schweröls, das vor allem aus den Teersanden der westkanadischen Provinz Alberta gewonnen wird (siehe Grafik).
Die kanadischen Erdölexporte in die EU sind womöglich noch höher als statistisch ausgewiesen, denn ein großer Teil des kanadischen Schweröls gelangt per Pipeline an die US-amerikanische Golfküste, von wo es vor allem nach Asien und Europa verschifft wird.
Die kanadischen Erdölerzeuger profitieren heute davon, dass die EU während der CETA-Verhandlungen auf eine Verschärfung der Kraftstoffqualitätsrichtlinie verzichtete. Diese hätte den Absatz des Teersandöls in der EU faktisch unterbunden, wogegen die kanadische Industrie jedoch erfolgreich lobbyierte.
Sonderklagerecht gegen Umweltschutz
Noch mehr Druck kann die Ölindustrie ausüben, wenn die EU-Mitgliedsstaaten CETA vollständig ratifizieren sollten und das Investor-Staat-Verfahren des Vertrags in Kraft tritt. Derartige Verfahren sind bereits in zahlreichen Investitionsschutzabkommen enthalten. Ein großer Teil der Klagen unter diesem System entfällt dabei auf die Energiewirtschaft.
Zu den in Deutschland bekanntesten Fällen gehört die Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg, für den der schwedische Entsorger eine Entschädigung von 6 Milliarden Euro von der Bundesregierung verlangt.
Auch deutsche Unternehmen nutzen die Sonderklagerechte gegen Umweltmaßnahmen. So beauftragte die E.ON-Abspaltung Uniper eine Anwaltskanzlei, um eine Investitionsklage gegen die Niederlande vorzubereiten, weil die dortige Regierung den Kohleausstieg plant.
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